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Der Blues mit dem Spi. Dirk Freilingers Vorschiff-Tanz beim Prinzen-Cup in Haltern.

Ein Seglerleben ist ja voll mit ereignisreichen und erinnerlich bleibenden Erlebnissen. So hat sicher jeder eine Fülle an Erinnerungen in seinem Seesack.

Sei es der romantische Sonnenuntergang hinter den Kreidefelsen, die wilde Sturmfahrt durch bewegte See, der genussreiche Sommer-Hummertörn mit der oder dem liebsten, die Teilnahme an der einen oder anderen hochrangigen Regatta und vielleicht sogar eine Platzierung bei der heimischen Clubregatta.

Alles wertvolle Erinnerungen, die uns unser schöner Sport beschert.

 

Allerdings gibt es auch die anderen Erfahrungen, die wir leider auch machen müssen, wie beispielsweise Beschädigungen am gecharterten oder dem eigenen Schiff, slippende Anker, Schlechtwettersituationen mit Crewausfall wegen Übelkeit, erfolglose Regattateilnahmen, sei es durch Flautenlöcher oder eigene seglerische Unzulänglichkeiten oder andere besondere Vorkommnisse.

 

Ein eher solches hat sich beim diesjährigen Prinzencup in Haltern zugetragen, aufgrund dessen Seltenheits- und Besonderheitscharakters ich gebeten wurde einen kurzen Bericht zu vertexten, was ich hiermit gerne tue. 

 

Am Freitagabend fanden sich erste Regattateilnehmer bereits auf dem Clubgelände des Segelclubs Prinzensteg in Haltern ein, um bei dem einen oder anderen erfrischenden Getränk die Gesamtlage und vieles mehr zu besprechen. 

 

Am Samstag um 14h sollte dann der erste Start sein. Die Windbedingungen waren eher schwachwindig, was für die Regattaleitung und auch die Regattateilnehmer der DYAS, J-22 und Yngling bereits eine Herausforderung darstellte, allerdings für meinem tapferen und notfallbewährten Vorschoter, Andreas Malcher und mich für das im Folgenden beschriebenen aber eher einen Glücksfall darstellte.

 

Wir fuhren also zum Startschiff und meldeten uns ordnungsgemäß an um dann, mit noch ausreichend Zeit bis zum ersten Startschuss, den ausgelegten Dreieckskurs einmal probe-abzusegeln. Auf einem solchen Dreieckskurs braucht man ja bekanntlich auf den beiden Vorwindschenkeln auch das große Vorwindsegel, welches wir auf dem Weg vom Hafen zum Startgebiet auch bereits zweimal gesetzt hatten.

Es war also alles richtig und funktionsfähig angeschlagen und alle möglichen auftretenden Probleme, wie klassisch: die Spischoten innen, statt außen an den Wanten geschoren, oder auch gerne genommen: ein mit dem Vorstag verheiratetes Spifall, oder auch, zum Glück eher selten: eine nicht angeknotete Nabelschnur am Spinnaker, auszuschließen.  – Dachten wir! –

 

Nun kamen wir bereits der am weitesten in Lee stehenden Tonne des Kurses näher, welche auf einen Kreuzkurs zur Startlinie gerundet werden musste.

Dazu muss man natürlich den Spi wegnehmen. Und hier fing unser Problem an. Das Fall gelöst, alle Kinken aus dem Fall und auch sonstig potentiell beklemmendes, klariert, gab die Tüte nicht einen Zentimeter nach. Ein Problem, welches mir vom Training am Bostalsee zu Ostern diesen Jahres bereits geläufig zu sein schien und dessen Lösung ich glaubte sofort parat zu haben. Es kommt auf diesem Boot schon einmal vor, dass sich das Spifall und das Fockfall innerhalb des Mastes gegenseitig bekneifen und einfach durch kurzzeitiges Lösen des Fockfalls voneinander zu trennen sind.

 

Aber dieser Lösungsvorschlag hatte nicht im geringsten den gewünschten Erfolg und so fuhren wir mit noch gesetztem Spinnaker an der Tonne vorbei.

Das war ja nun noch nicht so schlimm, wir waren ja noch nicht in einer Wettfahrt, sondern auf einem Probeschlag, aber komisch und besorgniserregend war es schon.

Nun ging Andreas nach vorne und versuchte den Spi mit der Hand runterzuziehen, ohne Erfolg.

Wer Andreas kennt, weiß, dass er schon ein paar Kilopond bewegen kann und normalerweise hätte der Spi freiwillig-resignativ in die Trompete springen müssen, als er merkte, dass Andreas es ernst meinte. Aber es war nichts, nichts und nichts zu machen. 

 

Wie schon weiter vorne angeführt, war der schwache Wind in dieser Situation für uns segenreich, denn so fuhren wir nunmehr, wegen des schwachen Windes, zum Glück, mit wenig Fahrt im Schiff auf das Ende des Sees zu. 

Ortsunkundigen sei an dieser Stelle gesagt, der Halterner See ist nicht die Müritzer Seenplatte. Das Ufer kam also immer näher und wir wussten nicht wie wir den Spinnaker runterkriegen sollen. Als erstes war eine (sinnvolle und notwendige) Maßnahme alle Plünnen runter zu nehmen.

Also haben wir Fock und Groß geborgen und behelfsmäßig vertäut.

Mittlererweile stand ich auf dem Bug und umarmte den Spi in engster Umschlingung, wie ein Teenager auf der ersten Pennäler-Party beim „Blues-Tanzen“, während Andreas mit dem Paddel versuchte das Boot an eine Art Steg zu paddeln, den wir ausfindig machen konnten. 

 

Das funktionierte jedoch nur leidlich und wir trieben mehr und mehr Richtung Ufer, bis dann Andreas die rettende Idee hatte: Wir legen den Mast!

 

Das schien eine gute Idee, weil ohne Mast kein stehender Spinnaker und keine Fahrt in ungewollte Richtung mehr und insgesamt manövrierfähiger.

Also gesagt getan, haben wir das Alu umgelegt und konnten nun beide armkräfig paddeln und versuchen die Legerwall-Situation in eine kontrollierbare Position auf dem Wasser zu wandeln.

Zum Glück hatte uns inzwischen die regatta-aufsichtshabende DLRG bemerkt und eilte herbei, um uns an eine Boje zu verholen. Vielen Dank an der Stelle an die ehrenamtlich tätigen Helfer dieser Organisation. Nun fest an der Boje, haben Andreas und ich angefangen, den Trümmerhaufen an Deck ein wenig aufzuräumen und vor allem den Grund für dieses festsitzende Fall zu ergründen.

Es hatte sich ein Knoten im Spifall auf den Galgen am Fallauslass am Mast festgesetzt. Und zwar nicht irgendein Knoten, sondern der Knoten, der eigentlich dafür da ist, die Kugel zu halten, die den Kopf des Spinnakers davor schützen soll in den Mast gezogen zu werden. 

 

Jetzt wird der geneigte Leser und fachkundige Segler sich fragen, wie kann denn der Knoten frei sein, wenn doch die Kugel darauf sitzt.

Eine völlig berechtigte Frage, die die ehrliche Antwort verdient: Die Kugel war falsch herum angebracht, also nicht mit der Öffnung nach unten, den Knoten abdeckend, sondern mit der Öffnung nach oben, den Knoten freigebend. 

Ein Umstand der bei regattaklar machen, hätte erkannt und behoben werden müssen.

Aber man lernt nie aus und manchmal lernt man auf dem harten Weg, wie der Malaie sprichwörtlich sagt.

 

Nun hatten wir alle Drähte, Stagen und Leinen aus dem Wasser gefischt, sortiert und wieder an Ort und Stelle gebracht, den Mast gestellt und uns fast der Illusion hingegeben, es doch noch rechtzeitig  zum ersten Start ans Schiff zu schaffen, als ein Blick ins Rigg uns den Beschluss fassen lies, zunächst und zuförderst zurück in den Hafen zu segeln und alles genauestens auf größere Schäden zu kontrollieren.

Der Mast stand nämlich so schief und zur Seite gebogen wie ein halbentwurzelter Baum am Hang.

Unsere erst Annahme war, der Mast hat irgendwie „eine abbekommen“ bei der ganzen Turnübung, was sich, zum Glück als unrichtig erwies.

 

Auf dem Weg zurück vernahmen wir einen lauten, einen sehr lauten Knall und wir dachten zuerst:

 

„Das war es jetzt! Jetzt kommt die Palme von oben!“

 

Aber das Gegenteil war zutreffend. Der Mast stand wieder gerade und die Wantenspannung war steuerbords und backbords wieder paritätisch.

Mit „das war es jetzt“ hatten wir indes doch recht, denn wie sich dann später im Hafen herausstellte, war der laut vernehmbare Knall, auf das Zurückschnellen der Terminals zurückzuführen, die sich durch die aufgeschwommenen Wanten aus der Verankerung gekugelt hatten und durch die Schiffsbewegung beim Nachhause-Segeln wieder eingerenkt wurden.

 

Nachdem nun alles wieder klar, geklärt und seeklar war, ich ab ins Regattabüro, gefragt, ob noch eine Wettfahrt geplant sei. Schließlich waren wir exakt 10 Starter in unserer Klasse und bekanntlich müssen zur Ranglistengültigkeit wenigstens bei einem Start 10 Boote über die Startlinie gefahren sein. Tatsächlich noch eine Wettfahrt an diesem Tag, für uns leider nicht mehr erreichbar, wir wären auf jeden Fall zu spät an der Startlinie gewesen. 

 

Nun stand es in der Hand des Wettergottes, ob am nächsten Tag noch einmal angeschossen werden konnte oder nicht.

Nach einem alles in allem anstrengenderem Segeltag als üblicherweise der Fall, haben Andreas und ich uns bei der wohlorganisierten Abendveranstaltung Trost geholt und konnten dank der vielen netten Gespräche mit den Mitseglern aus der eigenen, aber auch anderen Bootsklassen, die widrigen Geschehnisse des Tages Schluck um Schluck vergessen.

 

Am nächsten Tag sind dann noch zwei schöne Wettfahrten möglich gewesen, leider wieder up and down und kein Dreieck mehr, so dass der Präsident  des Segelclub Prinzensteg eine rundum gelungene und gut organisierte Regatta mit zum guten Schluss doch noch Ranglistengültigkeit für alle gestarteten Klassen beschließen konnte.

 

Bericht: Dirk Freilinger